Gemeinsames Lernen an der Realschule an der Niers
1. Situationsbeschreibung
Seit dem Schuljahr 2016/17 nehmen Schülerinnen und Schüler (SuS) mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf am Gemeinsamen Lernen an der Realschule teil.
Die Realschule an der Niers sieht Inklusion und Gemeinsames Lernen (GL) als Chance und Herausforderung. Alle Beteiligten leben mit- und lernen voneinander und unterstützen sich gegenseitig.
Die Schülerinnen und Schüler weisen unterschiedliche Förderschwerpunkte auf, z.B. Förderschwerpunkt Lernen, Emotional-soziale Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Sprache sowie Geistige Entwicklung. Derzeit werden die Schüler und Schülerinnen überwiegend in den Klassenstufen 5, 6 und 7 unterrichtet (Stand April 2018).
In Abhängigkeit vom Unterstützungsbedarf erhalten sie dabei eine zielgleiche oder zieldifferente Förderung.
1.1 Was bedeutet zieldifferenter/ zielgleicher Unterricht?
Die SuS mit den Förderschwerpunkten Emotional-soziale Entwicklung, Körperlich-motorische Entwicklung sowie Sprache werden im Gemeinsamen Lernen nach den Richtlinien und Lehrplänen der Realschule, also zielgleich, unterrichtet.
Für die SuS mit dem Förderschwerpunkt Lernen und Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gelten die Ausbildungsordnungen, Richtlinien und Lehrpläne der Förderschule Lernen bzw. Geistige Entwicklung, sie werden zieldifferent im entsprechenden Bildungsgang unterrichtet. Dies kann einerseits bedeuten, dass sie zur Erarbeitung der gleichen Unterrichtsinhalte differenziertes Lern- und Arbeitsmaterial nutzen und/ oder in Kleingruppen unterricht werden aber auch, dass sie sich inhaltlich mit anderen Themen auseinandersetzen (s. Punkt 3).
2. Ziele und Aufgaben des Gemeinsamen Lernens
Das oberste Ziel für die SuS mit und ohne Behinderung ist das miteinander Leben und voneinander Lernen. Somit steht nicht nur die bestmöglichste Förderung für die SuS mit Unterstützungsbedarf, sondern auch die Vermittlung weiterer Kompetenzen (z.B. Akzeptanz, Toleranz, Kooperationsfähigkeit, verantwortliches Handeln, Selbstständigkeit etc.) an alle SuS im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit.
- Weitere wichtige Aufgaben und Handlungsfelder des Gemeinsamen Lernens sind:
- Enge Zusammenarbeit zwischen Pädagogen und Sonderpädagogen
- Lernbegleitende Diagnostik
- Elternberatung
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit, z.B. mit Schulsozialarbeit, Integrationshelfer und –helferinnen und Wohneinrichtungen
- Förderplanung (s. Punkt 2.1)
- Festlegung des Nachteilsausgleichs (s. Punkt 2.2)
2.1 Förderplanung
Was ist ein Förderplan?
„Ein Förderplan ist ein schriftlicher Plan zur gezielten Förderung von Schülerinnen und Schülern mit (sonder-)pädagogischem Förderbedarf […]. Er ist eine Voraussetzung für die Qualität schulischer Förderung und zugleich ein Instrument zu ihrer Evaluation“ (Popp, Melzer, Methner: Förderpläne entwickeln und umsetzen, 2013).
Die Förderplanung ermöglicht eine zielgerichtete und dokumentierte Förderung und schafft darüber hinaus auch Transparenz für alle Beteiligten. Inhaltlich umfassen die festgelegten Förderziele sowohl Unterrichtsfächer als auch entwicklungspsychologische Bereiche (z.B. Motorik, Wahrnehmung, Kommunikation/ Sprache, Kognition, Emotionalität).
Umgesetzt werden diese durch individuelle Unterstützungsmaßnahmen, die zwei-mal im Schuljahr gemeinsam mit allen Beteiligten (Lehrerinnen und Lehrer, Integrationshelferinnen und –helfern, sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) festgeschrieben und evaluiert werden. Ebenfalls werden Schüler- und Elterngespräche zu den jeweiligen Zielvereinbarungen geführt.
2.2 Nachteilsausgleich
Was ist ein Nachteilsausgleich?
Ein Nachteilsausgleich gleicht die mit einer Behinderung und/ oder einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung verbundenen Beeinträchtigungen aus. Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und/oder Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung wird durch die gezielten Hilfestellungen ermöglicht, ihre Fähigkeiten nachzuweisen. Diese Unterstützungsmaßnahmen sind stets individuell.
Wer erhält einen Nachteilsausgleich?
Schülerinnen und Schüler mit einem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung sowie SuS mit einer Behinderung, einer medizinisch attestierten chronischen Erkrankung oder einer medizinisch diagnostizierten Störung ohne Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Die Schülerin oder der Schüler muss einen allgemeinen Abschluss anstreben, d.h. zielgleich lernen (s. Punkt 1.1). Ein Nachteilsausgleich kann ab dem 6. Schuljahr beantragt werden.
Welche Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs gibt es?
Nachteilsausgleiche kommen im allgemeinen Unterricht, in der Leistungsüberprüfung und im Einzelfall auch in der Leistungsbewertung zur Anwendung.
Nachteilsausgleiche beziehen sich in der Regel auf die Veränderung äußerer Bedingungen, z.B.:
- zeitliche Verlängerung von Vorbereitungs-, Pausen- und Arbeitszeiten
- Bereitstellung technischer Hilfsmittel, z.B. eines Lesegerätes oder eines Laptops als Schreibhilfe
- Veränderung räumlicher Bedingungen, z.B. Nutzung eines ablenkungs-, geräusch- und blendungsarmen Raums
- personelle Assistenz, z.B. Unterstützung bei der Arbeitsorganisation
Nachteilsausgleiche werden nicht im Zeugnis vermerkt (Quelle: Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW, Stand: Juli 2017).
3. Praktische Umsetzung der Förderung
An der Realschule an der Niers gibt es sogenannte „GL-Klassen“. Dies bedeutet, dass bei dem Schulwechsel von der Grundschule in die Sekundarstufe I versucht wird, die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf einer Klasse zuzuordnen. Die Klassengröße ist hierbei entscheidend. Im Gegensatz zu den anderen Klassen, ist die Schülerzahl in einer „Gl-Klasse“ geringer, um alle SuS bestmöglich und individuell fördern zu können.
Des Weiteren erhalten die Fachlehrerinnen und Fachlehrer stundenweise Unterstützung einer sonderpädagogischen Lehrkraft, um gezielt auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf eingehen zu können. Meist findet in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch eine Doppelbesetzung statt, um den Lernfortschritten und individuellen Lernzielen Aller gerecht zu werden.
Generell wird versucht alle SuS unabhängig vom Bildungsgang gemeinsam zu unterrichten. Häufig aber, benötigen vor allem Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen Wiederholungen, reduziertes Material, eine reizarme Lernumgebung und mehr Zeit, um individuelle Aufgaben lösen zu können. Daher gibt es an der Realschule an der Niers einen Differenzierungsraum. Dort hat insbesondere die sonderpädagogische Kraft die Möglichkeit in Kleingruppen Lerninhalte zu wiederholen und inhaltliche Schwerpunkte ohne Zeitdruck zu erarbeiten.
Insbesondere Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang Lernen benötigen differenziertes und individuell angepasstes Material, um Lernfortschritte erzielen zu können. Daher erhalten die Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang Lernen für die Stunden ohne sonderpädagogische Lehrkraft in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch Freiarbeitsmaterial, welches sie individuell bearbeiten können.
In regelmäßigen Abständen finden an der Realschule an der Niers „Inklusionstref-fen“ statt. Dies bedeutet, dass sich alle Fachlehrerinnen und Fachlehrer mit den sonderpädagogischen Lehrkräften zusammensetzen, um über aktuelle Vorkommnisse und die Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf zu sprechen (z.B. Förderplanmaßnahmen, Fördermöglichkeiten, Lernziele usw.).
Jederzeit stehen die sonderpädagogischen Kräfte hierbei allen Lehrkräften bei Fragen zur Verfügung, indem sie einer beratenden Tätigkeit nachgehen.
4. Klassenarbeiten, Leistungsbewertung und Abschlüsse
Schülerinnen und Schüler, welche zielgleich beschult werden, nehmen regulär an allen schriftlichen und mündlichen Leistungsüberprüfungen (Klassenarbeiten, Tests, aktive Mitarbeit, Referate usw.) teil.
Hierbei kann bei den betroffenen SuS der Nachteilsausgleich (vgl. 2.2) in Anspruch genommen werden.
Im Vergleich dazu, obliegt es den Fachlehrerinnen und Fachlehrern, bzw. den sonderpädagogischen Lehrkräften, ob Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang Lernen oder Geistige Entwicklung an schriftlichen Leistungsüberprüfungen teilnehmen.
Signifikant ist jedoch, dass schriftliche Leistungskontrollen, wie beispielsweise Klassenarbeiten an die jeweiligen Lernvoraussetzungen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf individuell angepasst werden müssen. Eine Klassenarbeit muss sich demnach von denen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler in Material, Medien, Umfang und Anforderungsniveau unterscheiden. Anstelle einer Note, erfolgt eine Rückmeldung zur erbrachten Leistung in Form eines Textes.
Auch die Schulabschlüsse richten sich nach den jeweiligen Bildungsgängen (zielgleich/ zieldifferent).
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf können an der Realschule an der Niers folgende Schulabschlüsse absolvieren:
Schülerinnen und Schüler, welche zielgleich unterrichtet werden:
- Fachoberschulreife (mittlerer Schulabschluss) nach Klasse 10
- Fachoberschulreife mit Qualifikation. Dieser Schulabschluss berechtigt zum Besuch der Oberstufe (Sekundarstufe II).
Schülerinnen und Schüler, welche zieldifferent unterrichtet werden:
- Förderschulabschluss der Förderschule Lernen nach Beenden von Klasse 10
- Förderschulabschluss im Bildungsgang Geistige Entwicklung nach Beenden von Klasse 10
- Einen dem Hauptschulabschluss nach Klasse 9 gleichwertigen Abschluss der Förderschule Lernen (verpflichtende Teilnahme am Englischunterricht in Klasse 9 und 10)
Schülerinnen und Schüler, welche zielgleich unterrichtet werden, werden ggf. unter Berücksichtigung des Nachteilsausgleichs wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler benotet und erhalten ein versetzungsrelevantes Zeugnis.
Schülerinnen und Schüler, welche zieldifferent im Bildungsgang Lernen unterrichtet werden, erhalten halbjährlich ein Schriftzeugnis, in denen die individuellen Anstrengungen und Lernfortschritte beschrieben werden.
Im Gegensatz zum Abschluss der Allgemeinen Schule (Realschule) sind die Schriftzeugnisse im Bildungsgang Lernen nicht versetzungsrelevant.
Im Bildungsgang Geistige Entwicklung wird am Ende des Schuljahres ein Schriftzeugnis zu den individuellen Lernfortschritten verfasst.
Um von einem zieldifferenten Bildungsgang in einen zielgleichen Bildungsgang zu wechseln, muss der sonderpädagogische Unterstützungsbedarf spätestens zum zweiten Halbjahr in Klasse 9 aufgehoben sein.
5. Ausblick
Nach zwei Jahren zielgleicher und einem Jahr zieldifferenter Förderung (Stand Schuljahr 2017/18) wird die Inklusion an der Schule mit den gewonnenen Erfahrungen stetig weiter entwickelt. Gemeinsames Lernen wird an der Realschule weiter wachsen und zukünftig in allen Klassenstufen stattfinden.
Die Weiterentwicklung ist ein ständiger Prozess, deren Herausforderung sich die Realschule auch in den kommenden Schuljahren stellt. Ein wesentlicher Be-standteil dessen ist die regelmäßige Evaluation und Dokumentation, um die Situation für alle Beteiligten fortlaufend zu optimieren.
6. Kontakt/ Ansprechpartnerinnen
Ansprechpartnerinnen für alle Themen und Fragen zum Gemeinsamen Lernen an der Realschule an der Niers sind:
- Frau Heinen-Herpers (2. Konrektorin) und
- Frau Boczek (Inklusionsbeauftragte).
Persönliche und telefonische Gesprächstermine können über das Sekretariat der Schule vereinbart werden (Tel. 02166/647970).
Gern kann darüber auch ein Kontakt zu den Sonderpädagogen/ Sonderpädagoginnen der Schule hergestellt werden.